Heute wird weltweit dem Ende des 2. Weltkrieges gedacht – zum 75. Jahrestag der deutschen Kapitulation.
In Berlin wurde dieser Tag sogar zum Feiertag erhoben, ein deutschlandweiter Feiertag ist wünschenswert und wird auch durch das Volk und Politiker massiv unterstützt.
Am 8. Mai 1945 war die Schreckensherrschaft endgültig beendet und den bis heute beispiellosen Verbrechen ein Ende gesetzt.
Doch was bedeutete dieser Tag für die europäische Bevölkerung Befreiung?
Angesichts der unüberblickbaren Zerstörung und den Millionen verlorenen Leben sowie der unersetzlichen Vernichtung von Kultur und ganzen Kulturen gab es kaum keine Nation, die Siegesfreude verspürt haben dürfte. Während in New York und den USA ausgelassen gefeiert wurde, lag Europa in Trümmern – unabhängig welcher Allianz ein Land angehört hatte. Daran gilt es zu erinnern und in Stille zu gedenken.
Für einen Teil Europas begann durch die ‘Befreiung’ ein neues Kapitel einer Fremdherrschaft, ja sogar einer repressiven Unterwerfung durch das Großmachtstreben eines Landes, das doch eigentlich Imperialismus als größten Feind sah und doch genau diesen ausübte.
Der Kommunismus ist freilich nicht vergleichbar mit NS-Deutschland und der NS-Besatzung: Die unterschiedlichen Völker wurden respektiert und in der Ausübung ihrer Kultur gefördert – in Jugoslawien wie in den Sowjetrepubliken. Die Repression war politischer Natur und richtete sich gegen ‘Klassenfeinde’ – dennoch systematisch, massenhaft und menschenverachtend: Ich nenne hier das Stichwort GULAG.
Woran aber am 8. Mai erinnert werden soll, ist die Beendigung des größten Verbrechens der Menschheitsgeschichte. Nicht eines Krieges, in dessen Verlauf Menschenrechtsverbrechen begangen wurden, sondern der systematischen Planung und Ausführung einer Vernichtung von Völkern und Kulturen, die von einer ganzen Nation getragen wurde. Demokratisch an die Macht gekommen, wissenschaftlich durch Rassentheorie begründet und mitleidslos und penibel genau umgesetzt.
Es ist erschreckend, dass es heute noch Menschen gibt, die andere aufgrund von Unterschieden im Aussehen, Kultur, Mentalität oder Sprache diskriminieren. Das passiert mir und unseren Nächsten, auch unseren Künstler/innen im Alltag. In Deutschland. In Europa.
Ich hätte gedacht, dass jeder Mensch auf der ganzen Welt daraus gelernt hätte, insbesondere das Volk, welches diesen Krieg ausgelöst hat.
Dass dem nicht so ist, auch auf der politischen Ebene, zeigt uns, dass wir noch sehr viel Arbeit vor uns haben.
Musik im dritten Reich
Die Schicksale der Künstler, die ab 1933 als erstes von Repressionen betroffen waren und auf unterschiedlichste Weise an der Ausübung Ihrer Kunst gehindert wurden – vom Auftrittsverbot bis zur Ermordung im KZ – zeigen uns beispielhaft wie willkürlich, irrational und sinnlos die gesamte Ideologie von Nazi-Deutschland war und ist.
Ein Skandal ist, dass diese Künstler auch heute noch vielerorts keine Beachtung finden und außerhalb von Expertenkreisen vergessen sind. Den Künstlern klebt das Etikett ‘Auschwitz’ oder ‘Holocaust’ wie ein Makel lebenslang an (wie Szymon Laks in seinem Buch ‘Musik in Auschwitz’ anmerkt) und verhinderte eine objektive Auseinandersetzung mit ihrem Werk nach dem Krieg.
Ein wesentlicher Faktor in der West-BRD war die Weiterbesetzung von wichtigen Posten mit NS-Funktionären und die Fortsetzung von NS-Traditionen, u.a. auch die Herausgabe von unter Hitler begonnen Urtextherausgaben von Werken ‘urdeutscher Komponisten’. Dies waren konkret Mozart, Haydn, Schubert, Beethoven, Brahms – sind die Namen Ihnen bekannt? Kein Wunder, denn vor 1933 war das Konzertleben durchaus bunter, aber heute sind es vor allem die arischen Werke und Ausgaben, die die deutsche und europäische Musikwelt dominieren.
Wir versuchen im Rahmen des Gedenkens der Verbrechen an den europäischen Juden und den Völkern Europas mithilfe der Musik, Schicksale lebendig zu machen; gegen das Vergessen zu kämpfen und durch die faszinierende Qualität der Kompositionen die Sinnlosigkeit des Sortierens und Verbietens aufzuzeigen. Natürlich bemühen wir uns um die würdigsten Bedingungen in bedeutenden Sälen, konsultieren die führenden Wissenschaftler der verfemten Musik, arbeiten aktiv daran Stolpersteine zu verlegen und suchen ein höchstmögliches künstlerisches Niveau.
Die Vernichtung der Kultur ist irreparabel – die Fehler in der Aufarbeitung bis heute lassen sich aber mit kleinen Schritten beheben. Daran arbeiten wir und hoffen Menschen jeder Herkunft damit zu berühren.
Zum Schluss das Positive:
Das Wunder des 20. Jahrhunderts ist eigentlich das heutige freie Europa – verbunden in Freundschaft, gegenseitigem Respekt und Frieden.
Und dies trifft bis auf wenige Ausnahmen auf den ganzen Kontinent zu. Wenige Personen, die sich nicht der Geschichte stellen und sie sogar umzuschreiben versuchen und das Gedenken beiseiteschieben.
Dies verhindern wir mit all unseren Kräften und haben das auch in unserer Satzung verankert.
Denn eines muss definitiv betont werden:
Niemand hielt es für möglich. Aber es ist passiert. Und deswegen kann es wieder passieren.
In diesem Sinne bleibt mir nur eines: Nie wieder!
Zum heutigen Tag eine Aufnahme des polnisch-jüdischen Komponisten S. Laks: Streichquartett Nr. 3 von 1945, geschrieben unmittelbar nach seiner Zeit in Auschwitz (1942-1945) über polnische Volksmusikthemen.
https://www.youtube.com/watch?v=lUrMZgk22yI
Author: Roman Ohem, 8.5.2020
Tag der Befreiung: 75 Jahre Weltkriegsende
